Wunderdroge Melatonin
Der Hype um die vermeintliche Wunderdroge
Der Tag-Nacht-Rhythmus ist ein Phänomen, das uns zweimal im Jahr sehr beschäftigt, weil immer zur Zeitumstellung die innere Uhr aus dem Rhythmus gerät.
Künstlich hergestelltes Melatonin wird derzeit im Internet massenweise angeboten.
Melatonin heißt das Hormon, das den Tag-Nacht-Rhythmus und unseren Schlaf steuert. Künstlich hergestellt verkauft es sich in letzter Zeit blendend: als Schlafmittel, als Zauberwaffe gegen Jetlag oder in Form von Nachtmilch für Menschen, die einfach ein bißchen ausgeruhter durchs Leben gehen wollen. Was ist dran am Hype?
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Das Melatonin bildet der Körper selbst
Sobald es dunkel wird, schüttet der Körper vermehrt
Melatonin aus, und man schläft leichter ein. Das Hormon wird in der Zirbeldrüse gebildet, einem kleinen Fortsatz unseres Zwischenhirns in der Gehirnmitte. Die Zirbeldrüse erhält die Informationen zum Tag-Nacht-Rhythmus über die Augen. Je älter wir werden, umso weniger
Melatonin bildet der Körper. Man vermutet, dass es deshalb schwieriger wird, ein-, durch- und auszuschlafen.
Melatonin in Tablettenform als Chronotherapeutikum
Bislang ist wissenschaftlich erwiesen, dass
Melatonin den Schlaf-Wach-Rhythmus wieder in geordnete Bahnen bringen kann. Deshalb bezeichnet man es als Chronotherapeutikum.
„Es kann die Einschlafdauer verkürzen“, sagt Prof. Dietrich Klingmüller, Endokrinologe am Institut für klinische Chemie und Pharmakologie der Uni Bonn. Ist man es gewohnt, die halbe Nacht wach zu liegen, kann man mit
Melatonin früher einschlafen und so die Schlafqualität verbessern. Das klappt allerdings nicht bei jedem. Warum es bei manchen anschlägt und bei anderen nicht, weiß man noch nicht.
Studien zeigen, dass manchmal ein paar Wochen mit
Melatonin ausreichen, damit Menschen mit Schlafstörungen wieder in einen besseren Schlaf-Wach-Rhythmus kommen. Der könne sich durch das
Melatonin etablieren, bestätigt auch der Schlafmediziner und Neurologe Prof. Ullrich Wüllner aus Bonn. Außerdem könne es helfen, den Jetlag nach Langstreckenflügen zu vermindern. Als Anti-Aging-Pille und Hilfe bei
Depressionen habe es aber trotz der Heilsbotschaften aus den USA keine nachgewiesene Wirkung, sagt Ullrich Wüllner.
Studien belegen bislang einzig die positiven Aspekte von
Melatoningaben bei Menschen mit Schlafstörungen.
Nachtmilch mit Melatonin – hilft sie beim Schlafen?
Findige Unternehmer sind auf den Zug aufgesprungen: Sie vermarkten sogenannte Nachtmilch mit
Melatonin. Eigens dafür werden die Kühe um 4.00 Uhr morgens aus dem Schlaf geholt und unter Rotlicht gemolken, um den erhöhten
Melatoningehalt in der Milch zu erwischen.
Kann das zu besserem Schlaf verhelfen? Der Hormonspezialist Dietrich Klingmüller schmunzelt darüber, was da wirken soll: Die gefriergetrocknete Milch habe einen
Melatoningehalt von 1.800 Pikogramm. Man müsse, um auf die durchschnittlichen zwei Milligramm zu kommen, die eine Wirkung erzielen, über eine Million Milchpulverpäckchen essen. Das wäre wohl nicht zu schaffen, so Professor Klingmüller.
Mehr natürliches Melatonin
Im Winter, wenn das Sonnenlicht knapper wird, kann es sein, dass uns die körpereigene
Melatoninproduktion lästig ist. Denn bei wenig Licht produziert der Körper auch tagsüber viel
Melatonin. Deshalb sind wir müde und manchmal sogar verstimmt.
Unser Tipp
Man sollte dann hinausgehen, wenn es am hellsten ist und sich regelmäßig im Freien bewegen, um tagsüber fit und nachts müde zu sein. Ganz wichtig zum Schlafen: Vorhänge zuziehen und das Licht ausmachen, damit im Dunkeln länger natürliches
Melatonin gebildet wird.
Autorin:
Elsa Wimmel
Quelle:
WDR